Mitarbeitergespräche reloaded

Formate für den Dialog von Mitarbeitenden und Führungskräften

Die Gestaltung von verlässlichen Arbeitsbeziehungen ist für den Führungserfolg sehr bedeutsam. Eine gekonnte Gesprächsführung und die adäquate Nutzung verschiedener Gesprächsformate sind ein wichtiges Führungsinstrumentarium, um Einfluss auszuüben und Dinge zu bewegen. Welche Bedeutung Mitarbeitergespräche in der von New Work geprägten Arbeitswelt nach wie vor haben, erläutert dieser Beitrag.

Laut McKinsey ist ein gutes Verhältnis zu den Führungskräften der wichtigste Faktor für die Arbeitszufriedenheit der Mitarbeitenden, die wiederum der zweitwichtigste Faktor für ihr allgemeines Wohlbefinden ist. Die Regelmäßigkeit von Kommunikation zeigt ebenfalls Wirkung. So bewerten Mitarbeiter*innen ihre Führungskraft entsprechend häufiger als respektvoll, je mehr Kommunikation stattfindet (Decker & Van Quaquebeke, 2016, S. 31).
Laut einer von Gherson & Gratton (2022) zitierten Studie des Beratungsunternehmens O. C. Tanner erhöhen wöchentliche Einzelgespräche mit Führungskräften in unsicheren Zeiten das Engagement der Mitarbeitenden um 54 Prozent sowie die Produktivität um 31 Prozent und verringern Burnout um 15 Prozent sowie Depressionen um 16 Prozent.
Im digitalen Zeitalter nimmt zudem die Bedeutung von Beziehungen und personenorientiertem Führungsverhalten zu (Welpe et al., 2018). Dies umfasst, Mitarbeitenden Interesse, Verständnis und Respekt zu zeigen, um ihr Wohlergehen besorgt zu sein sowie Wertschätzung und Unterstützung auszudrücken. Damit werden deren Selbstbewusstsein und Resilienz gestärkt, schwierige Situationen und Veränderungen meistern zu können. Seit Henry Mintzbergs Studien ist hinlänglich bekannt, dass ein Großteil der Führung im Kontext von vorbereiteter und auch spontaner Kommunikation stattfindet. Gesprächsführungs- und Kommunikationsfähigkeiten gelten daher als eine der wichtigsten Führungskompetenzen (z. B. Nerdinger, 2019).

Gerade weil Kommunikation ständig stattfindet, sehen wir unsere Fähigkeit zu kommunizieren oft als etwas Selbstverständliches an. Unsere Gesprächsgestaltung wird von Gewohnheiten, die unseren Kommunikationsstil ausmachen, oder von unterbewussten Prozessen, die unsere Haltung prägen, dominiert. Mit der Art, wie wir kommunizieren (z. B. von oben herab, mit Unterton, dominant oder oberflächlich) produzieren wir unabsichtlich negative Effekte für die Beziehungsgestaltung. Für tragfähige Beziehungen sind jedoch die Gesprächsqualität und der empfundene Rapport von entscheidender Bedeutung. Das Gefühl einer guten Beziehung entsteht aus der Summe der Erfahrungen in Interaktionssituationen. Aktuelle Interaktionen mit einer Person werden vor dem Hintergrund dieses Erfahrungswissens interpretiert (vgl. Watzlawick et al., 2017).
Weil Führung primär im Dialog zwischen Führungskraft und Mitarbeitenden stattfindet (Hossiep et al., 2020), sind Gespräche ein wesentliches Instrumentarium, um gemäß der Leader-Member-Exchange Theorie eine positive Beziehung zu etablieren und auf zentrale Faktoren Einfluss zu nehmen, wie z. B. die Leistungsbereitschaft und -fähigkeit, das Commitment zur Aufgabe und zur Organisation sowie die Förderung und Bindung von Talenten, um den eigenen Erfolg als Führungskraft zu erhöhen (z. B. Regnet, 2020;). Jede*r Change Manager*in weiß um die Bedeutung von Mitarbeitergesprächen während Veränderungsvorhaben, um psychologische Sicherheit zu vermitteln.
In Mitarbeitergesprächen erhält eine Vielzahl von Meta-Themen Raum, für die im Alltag zu wenig Gesprächszeit bleibt. Vor dem Hintergrund dieser in Wissenschaft und Praxis etablierten Erkenntnis wundert es, warum das Instrument «Mitarbeitergespräch» als nicht mehr zeitgemäß in Verruf geraten ist. Zumal jede Führungskraft die Gesprächsqualität direkt beeinflussen und Gesprächsinhalte sowie Gesprächsführung auf die jeweilige Situation und Person adaptieren kann. Genau genommen richtet sich die Kritik gegen institutionalisierte Mitarbeitergesprächssysteme, häufig Performance Appraisals oder Jahresgespräche genannt, die formalisiert anhand von Gesprächsleitfäden und Kriterienlisten geführt werden müssen (Trost, 2015). Adhoc-Gespräche und anlassbezogene Gespräche (Winkler & Hofbauer, 2010) sowie regelmäßige Check-ins oder One-on-Ones werden hingegen nach wie vor als wichtiges Abstimmungs- und Strukturierungstool erachtet. Im Instrumentenkasten agiler Methoden finden sich ebenfalls zahlreiche Kommunikationsformate, die auf Dialog und gegenseitiges Feedback setzen. Wo ist dann eigentlich das Problem? Um Mitarbeitergesprächssysteme und die Kritik daran besser zu verstehen, sollten wir einen Blick auf deren Historie werfen.

Entstehungsgeschichte eines strukturierten Gesprächsinstrumentariums

Um Führungskräften ihre Aufgaben und die damit verbundenen Gesprächssituationen zu erleichtern, wurden vielerorts Mitarbeitergesprächssysteme eingeführt, die strukturiert, nach einheitlichen Standards und vorgegebenem Themenfokus durchgeführte Gespräche sicherstellen sollten. Zudem ordnete das 1972 in Kraft getretene Betriebsverfassungsgesetz die Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer maßgeblich neu. Es sieht vor, dass Mitarbeitende Anrecht auf eine Rückmeldung über Leistungen und Verhalten haben. Auch international avancierte das jährliche Mitarbeitergespräch zu den meist verbreiteten Führungsinstrumenten (Trost, 2022). In Ermangelung anderer Instrumentarien, um wesentliche Führungsprozesse abzubilden, wurden institutionalisierte Mitarbeitergespräche vielerorts als Allzweckwaffe konzipiert. Durch Dokumentation der Gesprächsinhalte in einem Formular und Ablage in der Personalakte dienen sie oft als Grundlage zur Zeugniserstellung oder Nachweis der Leistungsbeurteilung, und werden u.U. in arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen herangezogen. Mit verursacht durch die Forderung von Führungskräften und Arbeitnehmervertretung, auch für Ausnahmefälle einen klaren Prozess vorzugeben, entstanden komplexe Systeme mit formalistischem Dokumentationsaufwand.
Da Führung im Gegensatz zu vielen besser definierten Prozessen in Organisationen nach persönlichem Ermessen und abhängig von den Kompetenzen der Führungskraft stattfindet, erhoffte man sich durch einen strukturierten Gesprächsprozess eine gewisse Routinisierung und Qualitätssicherung der Führungsarbeit. Um möglichst viele führungsrelevante Aspekte abzudecken – schließlich kann man damit Führungskräfte dazu verpflichten, zumindest einmal im Jahr über diese Themen mit ihren Mitarbeitenden zu sprechen – sollte das institutionalisierte Mitarbeitergespräch alle möglichen Themen umfassen: Aufgabenprofile, Zielvereinbarungen, Entwicklungsplanung, Job-Zufriedenheit, Leistungsfeedback, Zusammenarbeit, Beurteilungen, Gehalts- und Bonusfestlegungen sowie die Nominierung für Beförderungen oder Förderprogramme. Dass ein Gespräch mit so vielen unterschiedlichen Komponenten und Anforderungen die Teilnehmenden überfordern kann, liegt auf der Hand. Durch den formalen Charakter gehen der im Alltag etablierte Beziehungsrapport und die Natürlichkeit des Gesprächs zwischen Mitarbeitenden und Vorgesetzten häufig verloren. Des Weiteren ist es für Mitarbeitende und Führungskräfte nicht leicht, in einem Gespräch je nach Thema zwischen verschiedenen Rollen hin- und herzuwechseln: Bei feedback- und entwicklungsorientierten Gesprächsaspekten ist für Führungskräfte eine coachende und beratende Grundhaltung die zielführendste, weil so eine möglichst große Akzeptanz und Offenheit des Gegenübers erwartet werden kann. Durch Leistungsbeurteilungen oder Entscheidungen über Gehalt und Bonusfestlegungen, die Aufnahme in Förderprogramme oder Beförderungen erhalten sie eine beurteilende Rolle. Auch Mitarbeitende müssen zwischen Gesprächsstrategien wechseln, z. B. vom selbstreflexiven Modus bei Feedback hin zu Selbstmarketing und Verhandlungstechniken, wenn es um monetäre oder aufstiegsorientierte Entscheidungen geht.
Mit der zunehmenden Enthierarchisierung von Organisationen ist in vielen Führungsleitbildern inzwischen eine Präferenz für einen teamorientiertern kollegialen und coachenden Führungsstil zu finden. Damit kollidiert die Rolle des Beurteilers und Vorgesetzten oft mit dem propagierten und von vielen Mitarbeitenden bevorzugten kollegialen Führungsstil. Daraus resultiert eine kognitive Dissonanz, die sich bei Führungskräften häufig in einem mehr oder weniger bewussten emotionalen Widerstand gegenüber Mitarbeitergesprächen mit Beurteilungscharakter äußert. Die Gespräche werden als lästige Pflicht durchgeführt und die Gesprächsqualität sinkt. Oft wäre es beziehungsschonender, kein Gespräch zu führen, als genervt in ein Gespräch zu gehen, das man nicht führen möchte.
Trost (2015, 2022) kritisiert richtigerweise, dass das jährliche Mitarbeitergespräch zu vielen Nutzenerwartungen zu entsprechen versucht und durch sein Format die Vielfalt von Führungssituationen ignoriert. Die zu besprechenden Themen decken zwar den Kern wesentlicher Führungsaufgaben ab, nach Trost ist es jedoch kontraproduktiv, diese alle in einem One-Size-fits-all-Gespräch abdecken zu wollen. Bei stabilen Umfeldern mit vorwiegend hierarchischem Führungsmodell ist es leichter, standardisierte Vorgehensweisen aufrechtzuerhalten. In veränderungsintensiven Kontexten, in denen agil, vorwiegend vernetzt und horizontal «auf Augenhöhe» zusammengearbeitet wird, sind flexibel einsetzbare «on demand-Lösungen» zu präferieren.

Alternative Ansätze

Wie könnte jedoch eine Lösung aussehen? Selbst wenn Mitarbeitende zunehmend gefordert sind, sich selbst und ihre Aufgaben zu strukturieren, auftretende Probleme selbständig zu lösen und Ziele selbstmotiviert zu verfolgen, ist es auch in diesem Kontext notwendig, sich in der Organisation mit Entscheidungsträgern und im Team abzustimmen. Wir benötigen regelmäßige Rückmeldungen im Zusammenarbeits- und Führungsalltag, um koordiniertes, abgestimmtes und eigenständiges Handeln zu ermöglichen. Es bedarf also Gesprächsformate, in denen Rahmenbedingungen und Verantwortlichkeiten geklärt werden, um Rückendeckung und psychologische Sicherheit zu bieten, die eigenständiges Arbeiten benötigt (Edmondson, 2020).
Jüngere Generationen treten zudem mit dem Anspruch ins Berufsleben ein, non-hierarchisch, «auf Augenhöhe» zu interagieren, häufige (vor allem bestärkende) Rückmeldung zu erhalten und gefördert zu werden (vgl. Hurrelmann & Winkler, 2021). Mitarbeitergespräche erleben damit in gewisser Weise eine Renaissance und werden derzeit vielerorts neu erfunden – häufig mit attraktiveren Namen und in modern anmutender digitaler Verpackung. Nüchtern betrachtet, hält sich der Innovationsgrad der Neuentwicklungen alternativer Gesprächsformate in Grenzen. Die adressierten Themen sind den bisherigen sehr ähnlich, da nach wie vor relevant.

Flexible Dialogformate in der New Work-Arbeitswelt

Ein alternativer Ansatz zur Praxis jährlicher Mitarbeitergespräche ist das Baukastenprinzip (Trost, 2022). Dabei wird Führungskräften je nach Nutzenerwartung und Kontext ein flexibles Set an Instrumenten angeboten. Der flexible Einsatz von Instrumentarien erfordert jedoch von Führungskräften, dass sie a) unterschiedliche Gesprächsthemen und -formate kennen und anwenden können und b) sie sich im Jahresverlauf feste Zeiten für diese Gespräche einplanen. Die pure Aufforderung, kontinuierlich im Gespräch mit Mitarbeitenden zu bleiben, verpufft im Tagesgeschäft erfahrungsgemäß. Geführt werden vorwiegend unvorbereitete Adhoc-Gespräche, die prioritär Alltagsthemen umfassen und oft nicht die nötige Gesprächsqualität aufweisen.
Es lohnt sich daher für Führungskräfte, bei Fehlen eines organisational definierten Gesprächsrhythmus eine Gesprächsroutine zu etablieren und bestimmte Metagespräche einzuplanen, wie zu Kompetenz- und Perspektivenentwicklung oder Zielerreichung und längerfristig ausgerichteter Maßnahmenplanung. Eine geeignete Einleitung und damit Kontextuierung durch die Führungskraft («Heute ist es mir ein Anliegen, über… xy mit dir zu sprechen, mit dem Ziel unsere gegenseitigen Vorstellungen abzugleichen und Ideen zu Aktivitäten zu entwickeln, wie wir …») gibt Gesprächen eine Zielrichtung und Bedeutung. Damit ein beidseitiger Dialog entstehen kann, muss echtes Interesse am Gegenüber gezeigt werden, durch Nachfragen, Spiegeln und gemeinsamem Co-Kreieren von Lösungen. Damit werden sie von Mitarbeitenden als nutzbringend erkannt und können die intendierte Wirkung entfalten.

Förderung von Leistung und Zusammenarbeit

Für das von Trost (2022) vorgeschlagene flexible Baukastenset für Mitarbeitergespräche sollten Führungskräfte für folgende Gesprächsinhalte auf vorbereitete Dialog-Formate samt Qualifizierungsmöglichkeiten zugreifen können:
Standards vereinbaren: Um einen Zusammenarbeits-, Service-, Qualitäts-, oder Leistungsstandard im Team zu installieren, sind explizit ausgesprochene Erwartungen zentral. Führungskräfte erarbeiten mit ihren Teams, was die Erwartungen an einen «guten Job» sind, damit diese als mentales Modell verinnerlicht und umgesetzt werden können. Abweichungen können dann kollektiv oder bilateral besprochen werden.
Meta-Gespräch zur Gestaltung der Zusammenarbeit – «Gebrauchsanweisung»: Missverständnisse in der Zusammenarbeit entstehen, weil Präferenzen, Wünsche und Sensibilitäten der Gesprächspartner*innen unklar sind. Ein Gespräch zu diesen Themen mit pragmatischen Vorschlägen wie Unklarheiten Ärgernisse vermieden werden, hilft, Beziehungen auf gute Beine zu stellen.
Ziele und Ergebniserwartungen verabreden: Mit Zielen bündeln wir unsere Kräfte und richten unser Handeln auf bestimmte zu erreichende Ergebnisse aus. Die Zielsetzungstheorie gehört zu den bestbeforschtesten Motivationstheorien. Eine darauf basierende Weiterentwicklung von «smarten» Zielen ist der OKR-Ansatz. Mit im Team verabredeten OKRs erreichen Führungskräfte, dass alle hinsichtlich des Oberziels an einem Strang ziehen, auch wenn die Maßnahmen zur Erreichung der Key Results auf einzelne Personen im Team verteilt werden. Die Meilensteine für die Erreichung und das Monitoring der Key Results können im Laufe des Jahres fest terminiert werden. Das regelmäßige Gespräch, je nach Bedarf im One-on-One oder mit dem Team, über Zwischenergebnisse stellt sicher, dass genügend Fortschritte gemacht werden, um gesteckte Ziele rechtzeitig zu erreichen. Im Gegensatz zu rein individuellen Zielen fördern Teamziele stärker den Austausch und die Zusammenarbeit untereinander.
Leistungsfeedback geben: Der High Performance Cycle der Zielsetzungstheorie von Locke & Latham (2002) unterstreicht die Wichtigkeit von Leistungsfeedback und dessen motivierenden Effekt auf die Übernahme herausfordernder Aufgaben. Bleiben Leistungen unbemerkt, sprich: unerwähnt, so stellt sich das Gefühl ein «… interessiert eh keinen…». Das hat unweigerlich zur Folge, dass Mitarbeitende ihren Einsatz zukünftig stärker dosieren werden. Die einfachste Form der Anerkennung von Leistung ist eine Danksagung. Ebenfalls wirksam ist die Anerkennung von Geleistetem in regelmäßigen One-on-Ones oder in Gruppenbesprechungen (z. B. Stand-up Meetings, Jour-fixes, Projektmeetings oder Retrospektiven), wenn die erzielten Resultate auch für andere Teammitglieder bedeutsam sind.
Feedforward als Alternative zu Feedback: Nach Kluger und DeNisi und ihrer Metaanalyse zu Feedbackprozessen (1996) erhöht Feedback mit klarem Bezug zur Aufgabe und mit konkreten Tipps zur Verbesserung die Motivation, Verhalten zu verändern. Mit der Feedforward-Methode entwickeln Mitarbeitende und Führungskraft Ideen, wie Aufgaben und Situationen effektiver oder müheloser gelöst werden können, der Gesprächsverlauf wechselt von einer bewertenden in eine coachende Richtung. Das Gespräch wird auf Entwicklung und Wachstum gerichtet, die Wahrscheinlichkeit, als Kränkung interpretiert zu werden, sinkt, die Veränderungsmotivation wird stimuliert.
Schwache Leistungen sofort besprechen: Wenn Führungskräfte eine geringe Arbeitsmoral und schlechte Leistung Einzelner laufen lassen, frustriert das alle im Team. Daher sollten Leistungsabfälle oder Kompetenzdefizite in einem anlassbezogenen Mitarbeitergespräch sofort besprochen werden.
Bedarfe der Mitarbeitenden erfragen und Unterstützungsmöglichkeiten eruieren: Ob regelmäßiger Check-In, viertel- oder halbjähriger Spaziergang oder Mittagessen: Ein Austausch hierzu kann auf vielerlei Arten erfolgen. Entweder geht der Gesprächsimpuls von Mitarbeitenden aus, die hinsichtlich Arbeitszeit, -ort, Aufgabenspektrum, Entwicklungsmöglichkeiten oder anderen Rahmenbedingungen für effektives Arbeiten Veränderungsbedarf sehen. Oder die Führungskraft entwickelt einen Gesprächsrhythmus, um bei jedem Teammitglied immer wieder «das Ohr an die Schiene zu legen».
Retrospektiven der Zusammenarbeit: Feedbackprozesse sind nur sinnvoll, wenn zahlreiche Erfahrungen in der Zusammenarbeit vorliegen. Ansonsten entstehen Schnappschüsse, die sich in der Regel auf Positives beschränken. Verbesserungstipps oder Empfehlungen bedürfen konkreter Beispiele und einer belastbaren Einschätzungsgrundlage. 360 Grad-Feedback produziert durch die rein zahlenbasierten Erhebungen oft nicht den gleichen Mehrwert wie ein feedbackorientiertes Gespräch zwischen Partnern (Winkler, 2019). Trost (2022) schlägt sogenannte Feedbackpartnerschaften vor. In diesen unterhalten sich Personen, die eng zusammenarbeiten, in regelmäßigen Abständen zu folgenden Fragen: Was läuft gut und sollten wir beibehalten? Was sollten wir in Zukunft besser machen? Die Führungskraft muss hier nicht involviert sein. Sie wird dann wichtig, wenn die Retrospektiven Störungen aufdecken, die die Gesprächspartner*innen nicht alleine lösen können. Natürlich kann auch die Führungskraft regelmäßige bilaterale Retrospektiven der Zusammenarbeit mit ihren Mitarbeitenden einplanen.
Kompetenzentwicklung und berufliche Perspektive: In regelmäßigen Abständen sollte ein Abgleich der Anforderungen und der Kompetenzen sowohl für den derzeitigen als auch einen möglichen künftigen Aufgabenbereich erfolgen. Daraus können Entwicklungsmaßnahmen und Lernbedarfe abgeleitet werden. Die Selbsteinschätzung der Mitarbeitenden und die Einschätzung der Führungskraft sind dabei gleichermaßen relevant.
Zusammenarbeitsscreening: Die Qualität der Zusammenarbeit hat einen hohen Einfluss auf die allgemeine Job-Zufriedenheit. Neben einem Austausch als One-on-One oder im Teamkontext kann ein Soziogramm der Zusammenarbeit aller wichtigen Interaktionspartner*innen die Zusammenarbeitsqualität beleuchten und Verbesserungsmaßnahmen herausarbeiten.

Entlastung von Manager*innen

Führungsaufgaben, die von Führungskräften verlangen, als Beurteilende zu fungieren und bei der Verteilung von Mitteln und Möglichkeiten zwischen Teammitgliedern unterscheiden zu müssen, bergen die Gefahr, dass sie einen negativen Effekt auf die Teamdynamik und auf die individuelle Beziehungsgestaltung haben können. Diese Entscheidungen sind auf organisationaler Ebene leichter zu treffen als durch die individuelle Führungskraft, auch wenn diese aufgrund der Kenntnis ihres Teams relevante Empfehlungen aussprechen kann. Zu diesen Entscheidungen gehören die Identifikation von herausragenden Leistungsträger*innen und deren Honorierung.
Selbst den motiviertesten Protagonisten geht früher oder später der einstige Elan verloren, wenn sie sehen, dass sie im Vergleich zu Kolleg*innen, die nur das Nötigste tun, nicht gewürdigt und honoriert werden. In vielen institutionalisierten Mitarbeitergesprächen haben Führungskräfte die Aufgabe, die Leistungen ihrer Mitarbeitenden möglichst fair zu beurteilen. Als Beurteilender scheuen sie jedoch häufig diese Differenzierung aus Sorge vor der Reaktion des Gegenübers. Beurteilungen bleiben so oft in einem eher engen Spektrum. Wenn ein übergeordnetes Gremium mit größerer Unabhängigkeit High Performer identifiziert und würdigt, kann die direkte Führungskraft zu allen im Team eine gute Beziehung halten. Zugleich bedeutet dies für die ausgezeichnete Person einen höheren Wert, da die Anerkennung in der Organisation über den eigenen Bereich hinaus erfolgt.

 

Sinnvolle Gestaltung von Meta-Gesprächen

Anhand der skizzierten Gesprächssituationen müsste deutlich geworden sein, dass eine Führungskraft nicht umhinkommt, bestimmte Meta-Gespräche zu führen, um ihrer Führungsaufgabe gerecht zu werden. Sollen flexibel gestaltete Kommunikationsformate die institutionellen Mitarbeitergespräche ersetzen, ist es ratsam, dass sich Führungskräfte mit dem Spektrum an Gesprächsformaten vertraut machen und festlegen, in welchem Rhythmus Gespräche geführt werden sollen. Wem das zu kompliziert wird, der kann einen Mittelweg gehen. Abbildung 1 skizziert die Struktur eines Mitarbeitergesprächs, das wesentliche Themengebiete abdeckt und durch wenig Vorgaben flexibel z. B. zusätzlich zu den im Alltag stattfindenden One-on-Ones, Gruppengesprächen und Adhoc-Gesprächen als Meta-Gespräch und Boxenstopp geführt werden kann. Natürlich macht – wie immer, wenn es um Kommunikation geht – auch hier der Ton die Musik. Aus einer wohlwollenden, klärenden, reflexiven und coachenden Haltung heraus tragen solche Gespräche zur Klärung wesentlicher Themen und zur Festigung von Arbeitsbeziehungen bei. Eine von oben kommende, beurteilende und bevormundende «top-down» Gesprächsführung provoziert hingegen genau das Gegenteil – und nimmt dem Instrumentarium sein Potenzial für Motivation, Entwicklung und Bindung von Mitarbeitenden. Insofern gilt es in Mitarbeitergesprächen wie generell in der Kommunikation, sich am Zitat der afroamerikanischen Bürgerrechtaktivistin Maya Angelou zu orientierten: «Die Menschen werden vergessen, was Du gesagt hast. Die Menschen werden vergessen, was Du getan hast. Aber die Menschen werden nie vergessen, was sie bei Dir gefühlt haben.»

Prof. Dr. Brigitte Winkler
ZOE-Redakteurin, Geschäftsführende Partnerin von A47 Consulting, Beratung für Unternehmensentwicklung und Managementdiagnostik in München

 

Literatur:

• Gherson, D. & Gratton, L. (2022). Managers can’t do it all. It’s time to reinvent their role for the new world of work. In Harvard Business Review, March-April, 96-105.
• Hossiep, R., Bittner, J. E. & Berndt, W. (2020). Mitarbeitergespräche. Motivierend, wirksam, nachhaltig. 2. Aufl., Hogrefe.
• Trost, A. (2022). Das richtige Führungsverständnis. Wie Sie Ihre Führungsrolle definieren, vermitteln und wirksam umsetzen. SpringerGabler.
• Trost, A. (2015). Unter den Erwartungen. Warum das jährliche Mitarbeitergespräch in modernen Arbeitswelten versagt. Wiley-VCH.
• Winkler, B. (2019). Wie Feedbackverfahren Führungskräfte in ihrem Rollenbewusstsein verunsichern. OrganisationsEntwicklung, 4, 41-47.
• Winkler, B. & Hofbauer, H. (2010). Das Mitarbeitergespräch als Führungsinstrument. Handbuch für Führungskräfte und Personalverantwortliche, 4. Aufl., Hanser.

Eine vollständige Literaturliste kann im Redaktionsbüro unter zoe.redaktion@handelsblattgroup.de angefordert werden.

 

 


Aus Ausgabe Nr. 1/24: Wagnis Dialog – Wo Veränderung entsteht

Der Zugang zur menschlichen Kreativität und Leistungsfähigkeit für Organisationen steht im Mittelpunkt dieser Ausgabe der ZOE und in langer Tradition der Organisationsentwicklung. Ein früher Hoffnungsträger war dabei der Dialog als Instrument, um Potenziale, Ideen und Beobachtungen des ganzen Menschen auf Augenhöhe in einem ergebnisoffenen Gespräch zu erschließen. Das Fazit aus den seit über drei Jahrzehnten laufenden – teils naiven – Bemühungen ist allerdings ernüchternd. Wie sind diese Scheiterns-Erfahrungen zu interpretieren? Und: Was sind Perspektiven, um mit einem organisationsangemessenen Dialogverständnis vielleicht doch die menschlichen Potenziale für Organisationen zu erschließen?