Die Ethik der Selbstbestimmung

Wie Organisationen sich in ihren Leitbildern selbst normieren

Seit einigen Jahren ist als Kehrseite des gesellschaftlichen Wertewandels ein Trend zur Normierung von Verhalten und Haltung zu beobachten. An Leitbildern lässt sich exemplarisch das organisationsethische Paradox aufzeigen, dass die Selbstverpflichtung einer Institution nach außen nicht ohne die Fremdverpflichtung der Mitglieder nach innen zu haben ist. Ob die Einführung eines Leitbildes scheitert oder nicht, hängt davon ab, ob es der Führung gelingt, mit diesem Dilemma von Autonomie und Heteronomie konstruktiv umzugehen. Wenn sie ernstnimmt, dass die einzelnen Mitglieder der Organisation unabhängig von ihrer Aufgabe und ihrem Status immer auch moralische Subjekte sind, die nicht nur «funktionieren», sondern aus individuellen Motiven heraus selbstverantwortlich handeln, kann der Prozess auf Dauer gelingen. Hierbei erweisen sich Organisations- und Personalentwicklung als wichtige Impulsgeber.

«Mit dem ‘Wir’ zeigt die Organisation als abstrakte Größe ein individuelles Gesicht.»

Ursula Wollasch

 

Leitbilder gehören in Unternehmen heute zum guten Ton. Sie haben vielfältige Funktionen vom unternehmenspolitischen Steuerungsinstrument über die Öffentlichkeitsarbeit bis hin zur Unternehmensethik. Dem Streben nach Selbstverwirklichung und Individualität wirken Leitbilder als Ausdruck einer Unternehmenskultur mit gemeinsam geteilten Werten und Überzeugungen entgegen. Zusammen mit Grundsätzen zur Personalführung, Umwelt- und Qualitätsleitlinien, Programme für Vielfalt und Diversität, Kodizes gegen Korruption, sexuelle Übergriffe, Kinderarbeit und vieles andere mehr stehen sie für einen Trend zur Normierung und Standardisierung in Institutionen. Haltung und Verhalten der Mitglieder der Organisation sollen auf eine gemeinsame Wertebasis gestellt und damit berechenbar, verlässlich und steuerbar werden. Aber erfüllen alle diese Richtlinien tatsächlich die in sie gesetzten Erwartungen? Und wenn nicht, was ist zu tun, damit sie ihre Funktion erfüllen können?

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Deckblatt OrganisationsEntwicklung
Aus Ausgabe Nr. 2/25: Kranke Häuser – Gesundheit besser organisieren

Der Umgang mit widersprüchlichen Anforderungen wie zwischen medizinischer Qualität und Wirtschaftlichkeit macht Krankenhäuser zu «permanently failing organizations», denen zukünftig massiv Fachkräfte fehlen werden, die aktuell immer wieder Missstände kompensieren. Allerdings gibt es zwischen diesen Expertenorganisationen deutliche Unterschiede in der Leistungsfähigkeit, was auf ein häufig vernachlässigtes Feld in diesem Kontext hindeutet – nämlich Organisation und Führung.

Die Beiträge in dieser Ausgabe der OrganisationsEntwicklung nehmen die schwierigen Rahmenbedingungen der Arbeit in Krankenhäusern zum Ausgangspunkt, um anhand konkreter Fälle zu skizzieren, wie an der Zukunft von Organisationen des Gesundheitswesens gearbeitet wird. Hierbei fällt auf: Vielfach ist nicht das Problem das Problem, sondern die Art und Weise wie die Organisationen damit umgehen.