Buch der Woche: Organisation als Resonanzraum

Eine gemeinwohlorientierte Perspektive

Mit dem Werk «Resonanz. Eine Soziologie der Weltbeziehung » hat Hartmut Rosa eine fulminante und vielfach rezipierte soziologische Theorie ausgearbeitet. Rosa geht davon aus, dass wir als Wesen, die stets in die Welt gestellt sind, gelingende oder misslingende Weltbeziehungen über Resonanzbeziehungen etablieren. Unsere Zeit zeichnet sich dabei (auch) durch misslingende Resonanzbeziehungen aus, beispielsweise durch eine zunehmende Individualisierung und Entfremdung von der Arbeit.

«Den Fokus auf Resonanz in Organisationen zu richten, bedeutet nicht nur den Zusammenhang zwischen Menschlichkeit und Produktivität hervorzuheben, sondern stellt eine neue Art des Denkens in, für und über Organisationen dar.»

 

Die Theorie der Resonanz hat das Potenzial, die konzeptionellen Ansätze der Organisationsentwicklung und das praktische Handeln der Organisationsentwickler*innen substanziell zu bereichern. Denn der Organisationsentwicklung geht es seit ihrem Beginn Anfang des letzten Jahrhunderts darum, Organisationen „resonanter“ zu machen – auch wenn das nicht so genannt wurde, sondern umschrieben wurde mit Arbeitszufriedenheit, Engagement und Motivation.

Autorin Magdalena Wallkamm erkennt das unausgeschöpfte Potenzial und widmet sich in ihrer Dissertation der Anwendung der Resonanztheorie auf Organisationen. Sie begreift Organisationen als Resonanzraum und sieht dies als einer Metapher für den „Zwischenraum der Interaktion, Emotion und Beziehung“ (S. 165). Im Kern des Buches geht es darum, „weshalb und wie Resonanz entsteht oder (wieder) verstummen kann“ (S. 19).

Resonanz wirkt laut Magdalena Wallkamm auf emotionaler Ebene, ist aber ein beziehungsorientiertes und gruppendynamisches Phänomen. Daher werden psychologische und soziologische Ansätze zusammengeführt. Sie geht bei dieser Integration weiter als dies bei Hartmut Rosa selbst zu finden ist und greift umfassend die Ergebnisse der psychologischen Organisationsforschung beispielsweise zu Motivation und Engagement auf. Damit wird das Buch zu einem Fundstück für alle diejenigen Organisationsentwickler*innen, die sich an der Schnittstelle zwischen psychologischen und soziologischen Zugängen orientieren und nach Wegen suchen, diese beiden (gelegentlich konfrontativ betrachteten) Zugänge zu verbinden. Die Arbeit beinhaltet neben den konzeptionellen Erweiterungen der Resonanztheorie eine empirische Studie. In dieser untersucht Autorin Wallkamm, wie positive und negative Resonanzen entstehen oder verstummen und wie sich das auf Organisationen und ihre Mitglieder auswirkt. Sie stellt dabei beispielsweise fest, dass Resonanz entsteht durch Sinnerleben und Purpose sowie gelingende Beziehungsgestaltung insbesondere der Führungskräfte.

Dissonanz hingegen kann aufkommen, wenn Macht zum Selbstzweck wird oder dysfunktionale Führungskräfte „Resonanzräume schließen“ (S. 253). Die beiden Kapitel, in denen das Entstehen positiver und negativer Resonanz ausgearbeitet wird (Kapitel 6 und 7), sind eine zielführende Übersicht über Phänomene, die Organisationsentwickler*innen gut kennen und aus der Perspektive der Resonanz neu durchdenken können. Die beiden Kapitel sind gut separat zu lesen, insbesondere wenn man sich im vorderen Teil des Buches in die Grundlagen einarbeitet. Insgesamt lässt sich festhalten, dass das Buch innovativ und inhaltsstark ist und ermöglicht, neue und überraschende Impulse für die Organisationsentwicklung abzuleiten. Es ist damit insbesondere für jene Leser*innen geeignet, die die Organisationsentwicklung neu denken möchten und nach überraschenden und innovativen Impulsen suchen. Die Übertragung auf konkrete Beratungsansätze könnte dann in einem nächsten Schritt erfolgen – einige konkrete Anregungen hierfür gibt das Buch, an denen die Praktiker*innen mit ihren Erfahrungen anschließen und dann weiterdenken können.

Magdalena Wallkamm
Organisation als Resonanzraum
Eine gemeinwohlorientierte Perspektive
transcript 2024, 390 Seiten, Euro 59

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Deckblatt OrganisationsEntwicklung
Aus Ausgabe Nr. 2/25: Kranke Häuser – Gesundheit besser organisieren

Der Umgang mit widersprüchlichen Anforderungen wie zwischen medizinischer Qualität und Wirtschaftlichkeit macht Krankenhäuser zu «permanently failing organizations», denen zukünftig massiv Fachkräfte fehlen werden, die aktuell immer wieder Missstände kompensieren. Allerdings gibt es zwischen diesen Expertenorganisationen deutliche Unterschiede in der Leistungsfähigkeit, was auf ein häufig vernachlässigtes Feld in diesem Kontext hindeutet – nämlich Organisation und Führung.

Die Beiträge in dieser Ausgabe der OrganisationsEntwicklung nehmen die schwierigen Rahmenbedingungen der Arbeit in Krankenhäusern zum Ausgangspunkt, um anhand konkreter Fälle zu skizzieren, wie an der Zukunft von Organisationen des Gesundheitswesens gearbeitet wird. Hierbei fällt auf: Vielfach ist nicht das Problem das Problem, sondern die Art und Weise wie die Organisationen damit umgehen.